Geboren um zu Sterben - Ein Werbekrimi (I)
Frühstück mit Unterbrechung
Wie üblich saß ich mit
meiner Partnerin Special Agent Gitte Michel bei Barneys und trank einen großen
Milchkaffee. Wir mochten den Laden. Die Sitzbänke waren bequem, der Kaffee
schmeckte großartig und die Leute wollen unter sich bleiben.
Mit Gitte arbeite ich
bereits seit 7 Jahren zusammen. Nach so langer Zeit kennt man die Stärken und
Schwächen des anderen ganz genau. Wir sind ein gutes Team. Perfekt aufeinander
abgestimmt. Eine Tatsache, die uns schon das ein oder andere Mal den Arsch
gerettet hat. Wir arbeiten in der Abteilung für Gewaltverbrechen gegen
Werbemittel.
Kein Job für schwache
Nerven. Wir haben schon sehr viel kranken Scheiß gesehen. Aber nach einiger
Zeit stumpft man ab. Das muss man auch, wenn man den Job dauerhaft machen will.
Gerade als ich mir den
letzten Bissen meiner Waffel in den Mund schob, klingelte mein Telefon.
„Perfektes Timing“, dachte ich bei mir und würgte den Teigklumpen runter. „Was
gibt’s?“
Meine Stimme klang
gereizt. Der Morgen war noch nie meine liebste Tageszeit.
Schweigend hörte ich dem
Monolog des Officers am anderen Ende der Leitung zu.
„Scheiße“, dachte ich bei
mir und warf Gitte einen stummen Blick über den Tisch zu. Es war nicht nötig
etwas zu sagen. Sie wusste was los war. Wir hatten einen neuen Fall.
„Wir sind auf dem Weg“, brummte
ich anstelle einer Verabschiedung und ließ das Telefon wieder in meine Tasche
gleiten.
„Ich fahre“, sagte Gitte,
schob sich ihre Ray Ban auf die Nase und war schon auf dem Weg nach draußen,
als ich den letzten Schluck meines Milchkaffees hinunterschüttete.
Des Pudels Kern
Im Auto nannte ich meiner
Partnerin die Adresse. Der Verkehr zog sich wie ein zäher Kaugummi durch die
Stadt. Gitte sprang geschickt in alle sich ergebenden Lücken und so erreichten
wir zu meiner Überraschung bereits nach 20 Minuten unser Ziel. Die Pelotec
GmbH.
Das Bürogebäude sah aus
wie jedes andere. Glas und Stahl fügten sich zu einem wenig attraktiven Würfel
zusammen. Wir betraten die Lobby durch eine riesige, rotierende Glastür und
zückten unsere Ausweise.
„Special Agent Jürgen und
Special Agent Michel. Wir werden erwartet“, sagte ich zu dem Beamten, der dazu
abgestellt wurde, nur Befugte in die Nähe der Tatortes zu lassen.
„Geradeaus geht’s zu den
Aufzügen, die Kollegen warten im 3. Stock auf Sie“ entgegnete der junge Mann
nach einem kurzen Blick auf unsere Marken. Wir nickten ihm zu und gingen zügig
auf die Aufzugtüren zu.
In der dritten Etage
herrschte reges Gewimmel. „Ach, da sind die Damen ja endlich!“, empfing uns
Inspector Schubert freundlich. Bei der Begrüßung verschwand meine Hand in
seiner riesigen Pranke. „Haben Sie uns rufen lassen, Sir?“, fragte Gitte.
„Ja, ja, das war ich.
Keine schöne Sache da drin. Ich dachte, ich könnte eure Hilfe gebrauchen“,
murmelte der Inspector, während er sich mit den Fingern seinen Schnurbart
entlangfuhr.
So angespannt hatte ich
den Mann selten erlebt.
„Wer hat die Leiche
gefunden?“, frage ich Schubert und blickte den langen Flur hinunter.
„Wir haben einen anonymen
Tipp bekommen. Eine junge Frau. Wirkte ziemlich nervös am Telefon. Sie sagte
wir sollten mal das Büro von Andre Anderson überprüfen.“
„Wer ist Anderson?“ Gitte
hielt sich nicht lange mit Geplänkel auf, sondern kam immer direkt auf den
Punkt.
„Ein leitender
Angestellter hier bei Pelotec.“, antwortete der Inspector.
„Und wo ist der Typ
jetzt?“
Der Inspector drehte sich
um und zeigte den Gang hinunter: „Wir haben ihn in ein Besprechungszimmer
gebracht. Dort wartet er darauf von euch verhört zu werden. Ein Beamter steht
vor der Tür und passt auf, dass Anderson nicht versucht zu türmen.“
„Mmh... Konntet ihr
herausfinden woher der Anruf kam?“, fragte ich und hatte bereits eine vage
Ahnung.
Schubert nickte eifrig: „Unsere
Techniker konnten den Anruf zu diesem Gebäude zurückverfolgen. Merkwürdiger
Zufall, oder? Ihr solltet euch gleich mal etwas genauer mit den Angestellten
unterhalten.“
„Würde mich nicht
wundern, wenn wir eine nervöse junge Frau darunter finden“, entgegnete ich
grinsend.
Der Inspector setzte
seinen Bericht fort. „Nachdem der Tipp bei uns eingegangen ist, schickten wir
gleich mal einen Schnüffler her. Officer Johansen mit seinem Hund Bronko-“
„Boris“, bemerkte Gitte
sofort.
„Ähm, ja oder so.“ Der
Inspector lächelte etwas verunsichert. „Jedenfalls unser Leichenspürhund Boris..“
–Schubert betonte den Namen des Tieres mit einem gütigen Blick auf Gitte – „..hat
in Andersons Büro sofort angeschlagen. Direkt vor einem großen Rollcontainer.“
„Der Kleine ist einer der
besten Spürhunde die ich kenne. Wenn nicht sogar der Beste“, sagte Gitte fast
zu sich selbst. Meine Partnerin ist ein totaler Hundefreak. Für mich war es
also keine Überraschung, dass sie so viel Wert auf den richtigen Namen des
Tieres legte. Außerdem vermutete ich schon seit einer Weile, dass sie eine
kleine Affäre mit Officer Johansen hat.
Wir verabschiedeten uns
kurz vom Inspector und liefen in Richtung Zimmer 307, Andersons Büro. Der dicke,
weiche Teppich dämpfte unsere raschen Schritte.
„Was tun die hier eigentlich?“
„Ich glaube Pelotec macht
irgendwas mit IT-Einrichtung und Datenverwaltung“, antwortete ich meiner
Partnerin.
„Dann sollten wir also
vom Schlimmsten ausgehen“, entgegnete Gitte mit einem tiefen Seufzer.
„Wenn du Glück hast, sind
zumindest Johansen und sein Vierbeiner noch vor Ort“, sagte ich mit einem
Zwinkern zu Gitte. Ich bemerkte ihr Grinsen, auch wenn sie es vor mir zu
verbergen versuchte.
Kopfüber ins Vergnügen
Da standen wir nun. Im
Büro von Andre Anderson. Um uns wuselten die Leute von der Spurensicherung. Der
Gerichtsmediziner Dr. Daniel Broistedt war auch bereits da und steckte bis zum
Hals in einem Rollcontainer, der in der hintersten Ecke von Andersons Büro
stand.
„Ich guck mich erst mal
um, rede du doch schon mal mit dem Doc“, sagte Gitte zu mir und wandte sich ab.
Ich folgte ihr mit dem Blick und entdeckte Johansen. Gitte ging in die Hocke,
begrüßte zuerst den Hund und zauberte ein Leckerli aus der Anzugtasche. Erst
dann stand sie auf, um Johansen die Hand zu geben. Ich lächelte in mich hinein
und trat näher an den Container.
„Hi Doc!“ Ich erhob meine
Stimme, sodass der Mediziner mich bemerkte. Mit einem Ruck riss Broistedt den
Kopf hoch und knallte an die obere Schrankwand. Fluchend rappelte er sich auf
und rieb sich mit der Hand den Hinterkopf.
„Hallo Special Agent! Ich
habe Sie gar nicht kommen hören.“ Lächelnd schüttelte ich dem Doc den
Ellenbogen. Den latexbedeckten Händen wollte ich besser nicht zu nahe kommen. „Na
was haben Sie da Schönes im Schrank entdeckt?“
„Die Leiche ist in keinem
guten Zustand. Wenn ich mir die Staubentwicklung und die Beschaffenheit des
Papiers ansehe, schätze ich, sie liegt hier schon seit über 7 Jahren.“
Ich verzog angewidert das
Gesicht. Wie kann jemand nur jeden Tag zur Arbeit kommen und in aller Ruhe an
diesem Schreibtisch sitzen, wenn er ganz genau weiß, dass hinter ihm eine
Leiche vor sich hin fault? Eine Frage, auf die ich während der vielen Jahre in
meinem Job immer noch keine Antwort gefunden habe.
„Ich war gerade dabei sie
aus dem Schrank zu holen. Sie können gern hierbleiben und zusehen. Vielleicht
kann ich Ihnen dann gleich mehr sagen.“
Mit diesen Worten war der
Gerichtsmediziner auch schon wieder im Rollcontainer verschwunden. Als er
wieder zum Vorschein kam, hielt Broistedt eine vergilbte Imagebroschüre der
Pelotec GmbH in der Hand.
Er drehte das Heft
langsam in den Händen und stockte plötzlich mitten in der Bewegung. „Da! Sehen
Sie das?“
Ich trat näher und
schaute Broistedt über die Schulter. Unten rechts auf dem Umschlag stand Januar 2008. „Da haben Sie mit ihrer
Schätzung ja mal wieder genau richtig gelegen“, murmelte ich ihm zu, während
ich die Broschüre genauer in Augenschein nahm.
„Können Sie mir schon
etwas zur Todesursache sagen?“
„Das ist ohne genaue
Untersuchung schwer festzumachen, aber die Indizien weisen auf Tod durch Belanglosigkeit
hin. Mehr kann ich Ihnen in ein paar Stunden sagen. Ich lasse die Überreste
sofort in mein Büro bringen und beginne dann unverzüglich mit der
Untersuchung.“
„Danke Doc, das weiß ich
sehr zu schätzen“, verabschiedete ich mich von Broistedt und sah mich nach
Gitte um.
Weiter geht's am Donnerstag, den 13.08.2015 mit dem II. Teil unseres Werbekrimis! Nicht verpassen :)
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