kreativagentur perlenmädchen

Donnerstag, 13. Dezember 2018


Die Zuckerperlenmädchen

Eine Geschichte aus dem Perlen-Märchenbuch - Teil 2

...

Sie hatten unheimliche Angst bei ihrer Flucht. Schließlich haben sie seit sie denken konnten nur Schauergeschichten von diesem Ort gehört. Anfangs war der Wald wirklich dunkel und bedrohlich. Die Mädchen hatten zudem große Mühe in dem unberührten Dickicht voranzukommen. Nach einiger Zeit entdeckten sie aber, dass es nicht nur Schatten gab, sondern auch Licht!

Plötzlich öffnete sich der dunkle Wald und die beiden standen auf einer großen Wiese. Hier wirkte nichts mehr bedrohlich. Schmetterlinge tanzten auf bunten, duftenden Blumen, die sich in den Sonnenstrahlen räkelten. Rehe grasten friedlich am Waldesrand.
Ganz in der Nähe konnten die Mädchen auch einen plätschernden Bach ausmachen. Silberleuchtende Fische schwammen der Strömung entgegen und sprangen vor Freude in die Luft. An diesem Ort wollten sie bleiben. Die Mädchen waren lang genug weggelaufen.

Aus Zweigen, Ästen und Buschwerk errichteten sie sich eine kleine gemütliche Hütte auf der Waldlichtung. „Ich habe Hunger“, sagte Gitte plötzlich. „Wir sollten im Wald nach Beeren suchen.“ Gesagt, getan. Auf gut Glück wählten sie eine Richtung und gingen in den Wald. Sie waren noch nicht weit gekommen, da begegnete ihnen ein alter, freundlicher Fuchs. Nadine fasste sich ein Herz und sagte: „Lieber Herr Fuchs, ihr seid ein weises Tier. Und wir haben Angst vom Weg abzukommen und uns zu verlaufen.“ Da antwortete der Fuchs: „ Wo es keine Wege gibt, kann man nicht vom Weg abkommen. Ich rate euch Mädchen, findet euren eigenen Pfad.“

„Aber Herr Fuchs, was ist, wenn wir in eine falsche Richtung laufen?“, fragte Gitte nervös. Da antwortete der Fuchs mit ruhiger Stimme: „Mein liebes Mädchen, es gibt hier keine falschen Richtungen. Es kommt immer darauf an, was du suchst und was du schließlich findest.“
„Darf ich eine letzte Frage stellen?“, fragte Nadine das gutmütige Tier. „Woher wissen wir, wem wir vertrauen können?“ Da blickte der alte Fuchs dem Mädchen tief in die Augen und flüsterte: „Hört auf die Stimme, die tief in euch spricht. Sie wird euch verraten, wen ihr einen Freund nennen könnt.“ Kaum gesagt, sprang der alte Fuchs ins Dickicht und war verschwunden.

Die Mädchen erkundeten jetzt frohen Mutes die Umgebung. Zuerst hielten sie sich rechts und kamen bald an eine steile Klippe. „Hier gibt es nichts für uns, außer Gefahr“, sagte Nadine zu ihrer Gefährtin. Also machten sie kehrt und gingen in die entgegen gesetzte Richtung. Nach einiger Zeit gelangten sie zu einer Höhle, in der ein großer schwarzer Wolf lebte.
„Kommt nur herein zu mir“, sagte der Wolf listig. „Ich werde euch reich bewirten! Hier ist es warm und gemütlich.“ Den Mädchen war nach dem langen Weg durch den Wald kalt geworden. Sie waren müde und erschöpft. Außerdem litten sie noch immer an Hunger. „Was willst du von uns dafür haben?“, fragte Nadine vorsichtig.
„Nichts! Ich will nur euer Freund sein“, knurrte der Wolf und grinste gespenstisch, sodass man seine scharfen, weißen Zähne sah.
Die Mädchen schlossen fest die Augen und hörten tief in sich hinein. „Wir sollten nicht mit ihm gehen“, sagte Gitte überzeugt. Und so machten sie auf dem Absatz kehrt und gingen nie wieder diesen Pfad entlang.

Jetzt blieb ihnen nur noch eine Richtung, in die sie laufen konnten. Und endlich wurde ihr Mut belohnt. An einer uralten Buche fanden sie große Sträucher voller saftiger Beeren. Die Mädchen stopften sich gierig die süßen Beeren in den Mund und hörten erst auf, als sie satt und zufrieden waren. „Wir sollten uns ein paar Früchte mitnehmen, sodass wir nicht jeden Tag den weiten Weg auf uns nehmen müssen“, überlegte Gitte. Die Mädchen pflückten also was sie tragen konnten und machten sich auf den Weg zurück zur Lichtung.

An ihrer Hütte angekommen, sahen sie wieder den alten Fuchs, der sich in der Sonne streckte. „Hallo lieber Herr Fuchs! Es ist schön Sie zu sehen. Wir haben so viel Angst davor allein zu sein“, riefen die Mädchen ihm entgegen. „Aber ihr seid hier doch nicht allein. Überall um euch herum gibt es Freunde. Sucht sie und lernt von ihnen“, riet ihnen das weise Tier.
„Aber wir haben Angst etwas falsch zu machen!“, entgegnete Nadine. Da richtete sich das Tier auf und lief zu den Mädchen herüber. „Ich habe noch nie jemanden wie euch hier gesehen, der etwas getan hat, wie ihr es tut. Was sollt ihr da falsch machen, wenn noch Niemand vor euch hier war? Ihr könnt nur nach bestem Gewissen handeln und danach überlegen, ob man es besser machen könnte.“ Mit diesem Worten sprang er wieder in den Wald und war verschwunden.

So kam es dann, dass die Mädchen mit offenen Augen durch die Welt gingen und jedem, der es brauchte ihre Hilfe anboten. Sie beobachteten alle Tiere des Waldes genau und lernten, was ihre Fähigkeiten waren. Eines Tages hatte Gitte eine Idee: „Wir könnten unsere Beeren mit den Vögeln teilen. Mit ihren kleinen Schnäbeln picken sie die Kerne ganz sauber. Mit unseren Händen würden wir die Früchte nur zerquetschen. Mit der Saat können wir neue Sträucher auf unserer Lichtung ziehen. So sparen wir uns den weiten und gefährlichen Weg durch den Wald.“

Die Vögel halfen den beiden Mädchen gern bei ihrem Vorhaben. Schließlich hatte sich das gütige Wesen der Beiden bereits im ganzen Wald herumgesprochen. Mit den Jahren gab es viele Herausforderungen und Gefahren zu überwinden. Aber durch Teamarbeit und List, konnten die Mädchen alle Hindernisse überwinden. Sie wuchsen zu starken und klugen jungen Damen heran.
Eines Tages sagte Nadine: „Wir leben hier in einem Paradies, während das Volk vom bösen König Konformius unterdrückt wird. Wir müssen die Menschen von der süßen Freiheit kosten lassen, sodass sie aufwachen und ihr Leben selbst in die Hand nehmen und glücklich werden können!“ Deshalb schmiedeten sie einen Plan, die Tage von König Konformius waren gezählt!

Sie warfen alle Zutaten für ein gutes Leben in einen Topf und kochten daraus einen sirupähnlichen Saft. Nachdem dieser abgekühlt war, formten sie aus der Masse kleine, funkelnde Zuckerperlen. Mit den Taschen voller Leckereien machten sie sich auf den Weg in die Stadt.
Jedem, dem sie begegneten, steckten sie eine Zuckerperle in den Mund. Kaum berührte die Süßigkeit die Zunge, erwachten die Menschen aus ihrer Trance. Sie schmeckten das erste Mal das süße Leben der Freiheit.

Immer mehr Menschen schlossen sich den Zuckerperlenmädchen an und rebellierten gegen König Konformius. Schließlich stürmten unzählige mutige Frauen und Männer das Schloss und stürzten den grausamen Herrscher Konformius und all seine Lakaien. Für ihren Mut und ihre Kreativität wurden die einstigen Waisenmädchen belohnt und bekamen vom Volk funkelnde Zuckerkronen aufgesetzt.

Die Konformität wurde abgeschafft. Jeder dürfte seine eigenen Talente entwickeln und etwas machen, dass ihm Freude bereitet. Das Land wurde bunt, überall gab es Licht und Leben. Die Menschen waren glücklich. Und so war das Perlenland bald über alle Grenzen hinweg als ein wunderbarer Ort bekannt.

„Wie lange ist das schon her?“, fragte die kleine Frieda ihre Oma. „Schon viele hundert Jahre“, sagte die freundliche Großmutter zu ihrer Enkelin. „Aber immer noch gedenken wir den weisen Perlenmädchen. Deshalb kochen wir jedes Jahr an Weihnachten viele bunte Zuckerperlen, um uns daran zu erinnern, wie schön es ist, ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit zu führen.“

Ende