kreativagentur perlenmädchen

Dienstag, 27. November 2018


Die Zuckerperlenmädchen

Eine Geschichte aus dem Perlen-Märchenbuch


Es war einmal vor langer Zeit, da gab es ein fernes Land, das vom bösen König Konformius regiert wurde. Für ihn war jeder Mensch gleich. Individualität wurde verboten und mit dem Tode bestraft. Konformius und seine Lakaien Din Norm und Vor Schrift schürten Angst wo sie es nur konnten.
Jedem Bürger wurde seine Arbeit zugeteilt. Niemand scherte sich um Begabungen, Talente oder Vorlieben. Jeder musste tun, was der böse König sagte. So errichtete er sich ein Volk kopfloser Holzsoldaten. Menschen, die wie seelenlose Schablonen waren.

Es gab keine Farbe in diesem Land, alles war in einem Einheitsgrau gestaltet. Die Luft war niemals vom Lachen der Kinder erfüllt, denn niemand hatte einen Grund zu Lachen. Es gab auch keine Musik. Konformius hatte auch sie verboten, sodass niemand aus der Reihe tanzen konnte. Das einzige, das man ab und an hörte war das Trübsal blasen der Menschen.
Der König war nur damit beschäftigt, alle Menschen zu überwachen, sodass er niemals Zeit für sich hatte. Er hatte keine Frau, keine Kinder, er hatte nur: Nichts. Konformius war in seinem tiefsten Inneren ein trauriger und einsamer Mann, der mit der Zeit immer böser und verbitterter wurde.

Die wichtigste Regel des Königs lautete: „Du darfst den Weg nicht verlassen!“ Aus diesem Grund
postierte Konformius überall Wachen, die darauf achteten, dass niemand diese Regel verletzte. Doch eigentlich war das gar nicht nötig. Denn keiner der Menschen hatte überhaupt Lust dazu, die eingelaufenen Pfade zu verlassen. Sie hatten ehrlich gesagt zu gar nichts Lust. Sie standen jeden Tag auf, erledigten ihre Arbeit und gingen am Abend wieder ins Bett. In niemandem brannte mehr ein Feuer.

In niemandem? Nun, das ist so nicht ganz richtig. Es gab da zwei kleine Waisenmädchen, die nicht so recht in die Welt passen wollten, in der sie lebten. Die zierliche Gitte hatte goldenes Haar und große, runde blaue Augen, die stetig neugierig umherwanderten. Sie war ein aufgewecktes Mädchen, das alles förmlich in sich aufzusaugen schien. Das zweite Mädchen hieß Nadine. Sie hatte dicke, dunkle Locken, braune Kulleraugen und ein ungezähmtes Wesen. Sie war impulsiv und furchtlos.

Die beiden Mädchen lernten sich im Waisenhaus kennen und waren seither die aller besten Freunde. Nadine und Gitte ergänzten sich nicht nur gut, sie waren zudem auch nicht auf den Kopf gefallen. Sie merkten bereits früh, dass mit ihnen etwas falsch war. Oder waren es die anderen, mit denen etwas nicht stimmte? Die Mädchen waren anderes, als der Rest der Kinder. Und im Land von König Konformius war es sehr gefährlich anders zu sein. Deshalb verhielten sie sich still und fügten sich ein. Nach außen waren sie zwei brave angepasste Mädchen, aber in ihrem Inneren wuchs der Wunsch nach Freiheit ins Unermessliche.

Deshalb schmiedeten sie eines Tages einen Plan. Sie wollten ausbrechen, vom Weg abweichen und in den großen, dunklen Wald flüchten. König Konformius ließ seit jeher verbreiten, dass jenseits der Wege tödliche Gefahren lauerten und niemand jemals aus dem Wald zurückgekehrt sein. „Ich habe Angst“, sagte Gitte mit bebender Unterlippe, „aber selbst das ist besser als gar nichts zu fühlen.“ Die beiden Mädchen sahen sich ruhig in die Augen und nickten. Es war beschlossen.

Am nächsten Tag machten sich die Kinder des Waisenheims wie immer auf den Weg in die Schule. Der Pfad führte am Wachen gesäumten Waldesrand vorbei. Und genau auf diesem Wegstück wollten sie entwischen. Die Männer in ihren Rüstungen achteten kaum auf die vorbeilaufenden Kinder. Schließlich hatte noch nie ein Mensch im ganzen Reich versucht zu fliehen.
Das kam den beiden Mädchen zugute. In einem unbeobachteten Moment sprangen sie vom Wegesrand direkt in die dichten Büsche. Dort warteten sie erst einmal ab, ob sie jemand beobachtet hatte. Aber niemand scherte sich um sie. Niemand rief oder zeigte mit dem Finger auf die Stelle, an der sie im Verborgenen kauerten.
Als die anderen Kinder vorübergezogen waren und sich auch sonst niemand mehr auf dem Weg befand, trauten sie sich ihr Versteck zu verlassen. So schnell sie ihre kleinen Kinderbeine tragen konnten, rannten die beiden Mädchen in den tiefen unbekannten Wald.


....

Der zweite Teil folgt am 13. Dezember 2018!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen